Vom Dippeschisser zum Wasserklosett

Max Roeslers WC-Erfindung


Wohlbehagen über dem rauschenden Bach anno 1877

Von 1832 bis 1877 prosperierte die Fabrik rasant. Vermutlich 200 bis 300 ständig eingestellte Menschen arbeiteten bereits in der Steingutfabrik. Dass ein Firmendirektor auch zu der damaligen Zeit eine wegweisende Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft entwickeln konnte, bewies Max Roesler mehrfach. Im Jahr 1877 auch damit, dass er sich persönlich um die Toilettenanlagen für die Mitarbeiter kümmerte. Es bestand – vermutlich durch Vergrößerung der Belegschaft - die Notwendigkeit, für die große Zahl der Mitarbeiter, ausreichend Toiletten bereit zu halten. Roesler beauftragte dazu den Architekten Schneeweis in Bad Orb und den Zimmereimeister Jost Langlitz mit der Planung eines zweckmäßigen Gemeinschaftsabortes.

Entwurfszeichnung zur Planung einer Toilettenanlage über der Bracht 1

Über dem westlichen Mühlgraben sollte ein Schuppen errichtet werden, der 14 Personen gleichzeitige, ungestörte Erleichterung versprach. Obwohl ... Es ist aus dem Plan nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob für diese besonderen Sitzgelegenheiten – ein Holzbrett mit Loch über dem stimmungsvoll rauschenden Bach - auch verschließbare Türen geplant waren. Es wird jedenfalls kolportiert, dass Roesler auch eine Beaufsichtigung der Sanitäranlage durch zwei Wachmänner plante.

Roesler verbesserte den Entwurfsplan von Schneeweis handschriftlich um weitere zwei Sitzplätze und ein Sammelbecken für die Ausscheidungen, das er zwischen den Sitzen und dem Bach einzeichnete. Das Sammelbecken sollte von dem bei Bedarf eingeleiteten Brachtwasser ausgepült werden.

Wer weiss, ob Max Roesler an die Weilerser Waschweiber dachte, die damals vielleicht die Bracht zum Waschen der Wäsche nutzten mussten?

Planausschnitt mit handschriftlichen Ergänzungen Roeslers 1

Ob dieser Plan später in die Tat umgesetzt wurde, ist wegen der dokumentierten umfänglichen Genehmigungsprozedur durch Aufsichtsbehörden wahrscheinlich. Es ist gar nicht mal abwegig, diese Baumaßnahme auch als Wegbereitung für den sprichwörtlichen Dippeschisser hin zum WC-Benutzer zu sehen.

Status Sanitäreinrichtungen zu Hause anno 1888

Die Befassung mit sanitären Einrichtungen war auch später ein Thema, dem sich Roesler widmen musste. Im September 1888 erhielt der Fabrikleiter vom königlichen Landratsamt in Gelnhausen die Aufforderung, die Wohnverhältnisse der Fabrikarbeiter statistisch zu erfassen zwecks Beurteilung, ob es Mißstände gibt. Dazu gehörte auch die Frage des Landratsamtes, ob, "... die Aborte bei den Arbeiterwohnungen in genügender Weise von den Wohnräumen, insbesondere von den Schlafräumen getrennt ..." sind.

Die Ergebnisse veröffentlichte Roesler in der Werkszeitung „Schlierbacher Fabrikbote“ am 16. September 1888 wie folgt: "Sämtliche Häuser haben von den Wohnräumen getrennte Abtritte, und zwar 12 innerhalb, 101 außerhalb des Hauses."2 Stolz und selbstbewusst ergänzte er in einem entrüsteten Tonfall, dass unter seiner Führung keine Notwendigkeit für polizeiliches Eingreifen seitens der Behördenaufsicht bestand.