Alltag - hautnah zur Produktion wohnen

Interview mit Inge Toepfer, Ehefrau des Exportleiters Wolfgang Toepfer

Anfang 2015


Inge Toepfer erzählt zunächst von den beruflichen Anfängen ihres Mannes, Wolfgang Toepfer, Export- und später auch Vertriebsleiter der Firma in den Jahren 1958-1964. Sie spricht über Ursula Fesca, der sich die Familie besonders verbunden fühlte, über Aspekte der Produktentwicklung in jener Zeit und das Leben auf dem Fabrikgelände in dem kleinen weißen Haus, das noch heute am unteren Ende des Anwesens steht und bewohnt wird.


Als er nach Wächtersbach kam, musste er sich erstmal in die Materie einarbeiten, und das war zunächst mal gar nicht so einfach. Man denkt nämlich, man hat ein wunderschönes keramisches Stück vor sich. Und selbst für Leute, die sich mit Keramik oder Porzellan, diesem Metier, beschäftigen, wissen, dass das eine unglaublich schwierige und komplizierte Angelegenheit ist, diesen Körper aus Ton mit dem Mantel der Glasur in eine Verbindung zu bringen. Und das hat mein Mann dann eben lernen müssen.


Was haben Sie als besonders eindrucksvoll in Erinnerung, gab es Innovationen in dieser Zeit, auch in der Produktpalette, gab es Verkaufsschlager?



Für das Auge war es schön, wenn die neuen Dekore kamen, wenn Frau Fesca, Ursula Fesca zum Beispiel, wenn man vorbeikam und sie uns zeigte, was sie entworfen hatte. Sie war ja unglaublich kreativ. Sie hatte ständig neue Ideen, und unerschöpflich. Wir hatten immer das Gefühl – ich kann das ja jetzt ruhig mal sagen – dass ihre Kreativität und ihre Begabung nicht richtig honoriert wurden … und das hat ihr sehr wehgetan und da hat sie sehr gelitten. Trotzdem blieb immer noch eine ganze Menge übrig was in Serie ging … so war das eben.

Ja, Wächtersbach änderte sich im Laufe der Jahre. Die Farben wurden lebendiger und intensiver und man hat ja auch versucht, ein bischen auf den modernen Zug aufzuspringen, zumal zu der Zeit die Dekore noch relativ konservativ waren – aber schön!

Und dann kam damals diese Geschichte mit dem Becher dazwischen, der eine große Bereicherung war für die Firma, weil sie ja mit einer Form sehr unterschiedliche Dekore produzieren konnten, und das war ein Riesenerfolg, also nicht nur in Amerika, sondern auch in Australien.

Na, ich kann mich nur erinnern, dass viele Auftragslücken, die ja auch immer mal entstehen, mit Bechern gefüllt wurden. Becher gingen immer. Und Becher gehen ja dann auch kaputt, also bei dem schlechten Scherben sowieso, und da konnte man immer Nachschub liefern, und Becher waren also das ganz große Geschäft.


Wie war Ihr Verhältnis zu den Mitarbeitern auf dem Fabrikgelände, auf dem Sie ja auch wohnten mit Ihrer Familie?



Dadurch, dass wir direkt in der Fabrik gewohnt haben, kam es auch immer wieder zu Gesprächen mit den Arbeitern. Also ich kann mich erinnern, dass ich mich oft – die Bilder kommen jetzt zurück – ich konnte sie von meinem Küchenfenster aus immer sehen, wie sie diese großen Wagen, vollgestopft mit glasierter Keramik, von einem Gebäude zum anderen in die Brennöfen gefahren haben. Und das war also eine höchst gefährliche Angelegenheit, weil da öfter was runterfiel. Dann musste ich meinen Kindern immer sagen, wenn ihr mit euren Rollern da durch die Gegend fahrt, passt auf dass nicht in dem Moment jetzt so ein Wagen da rauskommt. Das war kreuzgefährlich. Und was für unsere Kinder auch nicht schön war, war dass keine fremden Kinder auf das Gelände durften. Wir waren also sehr isoliert.

Wie empfanden Sie damals das Verhältnis zwischen Eigentümern und Belegschaft?



Ich habe es nie so empfunden, dass die Arbeiter jetzt ungewöhnliche Sympathien oder Loyalität gegenüber dem Fürstenhaus gehabt hätten. Die haben ihre Arbeit getan, sie haben versucht, pünktlich ihren Feierabend zu bekommen. Und zum Teil hatten sie glaub‘ ich auch noch Landwirtschaft und Gärten oder etwas was sie nebenbei gemacht haben, und dann waren sie froh, dass sie ihre Arbeit an den heißen Öfen … dass sie dann rauskonnten und konnte ihr eigenes Leben leben. Wo hätte denn da auch eine Anhänglichkeit sein können? Es war … es passierte ja eigentlich gar nichts. Also, ich kann mich an ein Fest erinnern, ich weiß nicht mehr zu welchem Anlass das war. Da hat es mal irgendwas gegeben. Ich glaub ‘ne Münze…

Als der Geschäftsleitung zugehörig und „Zugezogene“, haben Sie sich als Teil des Ganzen verstanden, oder lebten Sie eher in einer anderen Welt?



Es waren zwei Welten, ja. Es waren auch innerhalb der Hierarchie zwei Welten. Ich kann mich erinnern, dass es also permanent Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Produktion und dem Management, also dem Vertrieb gab. Ja, also der Vertrieb – mein Mann – kam dann mit Ideen wieder zurück und hat den Technikern dann gesagt: „Leute, könnt ihr das nicht mal machen? Und das und das geht gut auf dem Markt, und das geht gut…“, und die Techniker, die hatten zunächst immer mal erst Einwände. Ja, also bis sie dann anfingen zu experimentieren, bis man sie soweit hatte… dann hat es ihnen natürlich Freude gemacht. Und wenn dann mein Mann wiederkam und sagen konnte: “Wir haben das gut verkauft!“, dann waren die natürlich glücklich. Aber diese Anlaufzeit, diese Überzeugung erstmal, kriege ich sie jetzt mit auf den Zug, das war – da kann ich mich erinnern – das war immer schwierig. Das kann man ja in gewisser Weise auch verstehen, nicht? Ich meine, zu kommen und zu sagen, mach mir mal dieses schöne Stück, wissend, wie schwierig das ist mit den Glasuren vor allen Dingen, ich kann schon verstehen dass es da Reibereien gegeben hat. Aber das ist überall so. Das ist nichts Neues.