Vorübergehende Tage in unserer Steingutfabrik

Tagebuch eines jungen Schlierbacher Mädchens im Dezember 1934

Zur Zeit der NS-Diktatur wurden in der Fabrik u.a. Winterhilfswerkteller produziert. Das Winterhilfswerk war eine der NS-Wohlfahrt untergeordneten Organisation deren Zweck es war, Gelder und andere Mittel für die Unterstützung minderbemittelter Deutscher zu werben.

Da die Schreibschrift jener Zeit heute nur von Wenigen gelesen werden kann, ist eine "Übersetzung" angefügt.



Tagebuchseite

Ausschnitt aus dem Tagebuch eines Schlierbacher Mädchens vom Dezember 1934


Weinachten 1934

Unsere Fabrik hatte wenige Tage vor Weinachten noch sehr viel Arbeit. Die Winterhilfsteller mussten noch fertig werden. Sie wurden gut abgesetzt und es kamen noch immer neue Aufträge. Deshalb wurden noch Mädchen auf einige Tage eingestellt. Ich ging mit noch verschiedenen Anderen auch hin. Arbeitsbuch und Invalidenkarte besorgte ich mir beim Bürgermeister. Wir kamen in die Druckerei. Dort wurden wir eingeteilt in zwei Gruppen. Bei die Letzte kamen wir. Die Ersten fingen morgens um 6 Uhr an bis um 2 Uhr Mittags. Dann kamen wir von 2 Uhr bis Abends 10 Uhr. In den zwei kleinen Pausen (2 mal 15 Minuten) um 5 Uhr und 8 Uhr besichtigten wir ein wenig die Fabrik. Dann ging es wieder an die Arbeit. Die Teller bekamen wir mit dem aufgelegten Abziehbild zum Tupfen. Wir standen an langen Tischen und bekamen als Unterlage eine Art Filzdecke. Ausserdem bekamen wir noch einen weichen Schwamm. Das Wasser in den Krügen musste immer sehr warm sein. Fast trocken wurden die Bilder angetupft damit sie nicht losgehen oder sich verschieben. Dann wurde so lang getupft bis das Bild auf dem Teller zu sehen war. Sie blieben dann noch einige Zeit stehen und wurden später noch einmal nass durchgetupft und ausgewaschen in kühlem Wasser. Die fertigen Teller wurden aufgesetzt und dann weiterbefördert. Am 13. Dezember fingen wir an. Aber erst um 5 Uhr. hatten wir dann bis um 10 Uhr 246 Teller fertig (Donnerstag).


Winterhilswerkteller

Teller für das Winterhilswerk Arbeterwohlfahrt 1934/35


Am Freitag machten wir dann 349 Stück. Es wurde dann immer besser. Am Samstag waren es schon 485 und am Montag 640 Stück. Die beiden nächsten Tage setzten wir aus. Donnerstag wurden wir noch einmal gerufen und machten wieder 640 Stück. Wir wurden dann wieder entlassen. Die Arbeit war ja gerade nicht so leicht, das merkte man gehörig an den Händen. Sie waren steif und taten auch weh. Manchmal konnte man sie nicht aufmachen. Aber das schadete nichts. Man muss sich an alles erst gewöhnen. Am zweiten Tag ging es schon besser. Wir haben jetzt einmal gesehen wie das alles gemacht wird und wie die Leute in der Fabrik so schwer verdienen müssen. Wir haben auch durch die Mitarbeit an den Tellern am Werk der Winterhilfe mitgeholfen. In diesen fünf Tagen verdiente ich 5,92 Mark und nach Abzug der Versicherung und Krankenkasse bekam ich 4,98 Mark ausgezahlt.