Mittag bei den Spielberger und Wittgenbörner Arbeitern
Heutzutage heißt es morgens in deutschen Haushalten oft „Hast du deine Brotbüchse eingepackt?“ Früher, d.h. bis nach dem Krieg, war es dagegen üblich, mittags eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen. Schwierig natürlich, wenn der Betrieb nicht über eine Kantine verfügte. Die Hellsteiner Arbeiter ließen sich ihr warmes Essen mit dem Bähnchen nach Schlierbach bringen. Und die Wittgenbörner oder Spielberger?
Willi Zimmer aus Wittgenborn erzählt uns, dass die Spielberger und auch die Wittgenbörner Mütter, Frauen, Verlobte und Verliebte … das Essen gebracht haben. „Meine Mutter hat mir auch das Essen gebracht. Nicht in die Keramik, in die Keramik durften sie nicht. Wir sind dann raus gelaufen bis an den Waldrand.“ Dort fand die Übergabe des Essenbehälters statt. Dann suchte man sich ein Plätzchen, wo man sitzen konnte. Zimmer: „Ich hatte einen Platz, da konnte ich in der Scheune essen und dann hat die Frau gesagt, was für ein Quatsch, komm her und du sitzt jetzt hier bei uns am Tisch.“ Und im Winter? Zimmer: „Die haben auch im Winter das Essen gebracht. Da konnte auch Schnee liegen, da sind die Frauen treu und brav bis ins Dorf gekommen, da mussten sie einen Platz haben, wo sie in einer Holzhalle, in der Scheune oder sonst wo sitzen konnten…, aber ins Werk durften sie nicht.“
1 Essenträger von 1898 |
Warum die Hellsteiner Arbeiter ein warmes Mittagessen genießen konnten.
Jeden Mittag kamen Hellsteiner Frauen zum Bahnhof und warteten auf das „Bähnchen“*. Wenn es dann endlich von Birstein kommend anhielt, stellten die Frauen Essenstender in den Gepäckwagen. Die Hellsteiner Arbeiter gingen zu Beginn ihrer Mittagspause zum Schlierbacher Bahnhof und hielten schon sehnsüchtig nach dem „Bähnchen“ Ausschau. Sobald es am Bahnhof hielt, gingen die Arbeiter zum Gepäckwagen, jeder nahm seinen Essenstender und ging zurück zur Keramik. Warme Mahlzeit garantiert.
*Vogelsberger Südbahn
2 Bahnhof Hellstein 19020 |