Neu entdeckte Schindelmarke
Der aktuelle Denkmalbericht des Landes Hessen listet unter anderem ein Gebäude auf dem Fabrikgelände auf, das mit sehr ungewöhnlichen Schindeln verkleidet ist - mit Schindeln aus Keramik. Ungewöhnlich ist die Bekleidung mit Keramikschindeln nicht nur wegen der Materialwahl, sondern weil es eine Variation der alten Vogelsberger Bautradition ist, Häuser gegen Wetter mit Holzschindeln zu schützen.
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Ehemalige Nachtwache |
Leider ist die Verschindelung in keinem guten Zustand, sie wird unbeabsichtigt immer wieder beschädigt. Es entstehen immer mehr Lücken in der Fassadenbekleidung. Bei einer notdürftigen Reparatur haben wir auf den Rückseiten der Schindeln eine bisher unbekannte Werksmarke der Fabrik gefunden.
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Rückseiten zweier Schindeln mit Markung und Befestigungsstreifen |
Die Fabrikmarke gibt nicht nur den Hersteller der Schindeln an, nämlich die Wächtersbacher Steingutfabrik. Ebenso ist eine Patentnummer angegeben. Nach unserer Recherche wurde das Patent der “Verkleidungsziegel” im Jahre 1884 vom Kaiserlichen Patentamt erteilt.
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Vergrößerte Ansicht der Schindelmarke |
Aus dem vorher genannten Denkmalbericht geht hervor, dass es ein weiteres Gebäude in Schlierbach gibt, das einen geringen Rest dieser Verschindelung aufweist. Auch ein Foto aus den 1950-er Jahren zeigt, dass auf dem Fabrikgelände weitere Gebäude mit den Keramikschindeln verkleidet waren.
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Ehemaliges Pförtnerhaus am Werkseingang |
Backsteine mit Fürstenhut
Ausgelöst durch den Fund der Schindelmarke nutzten wir die derzeitigen Bauarbeiten auf dem ehemaligen Werksgelände, nach weitere “Marken” auf Baustoffen zu suchen. Und siehe da, die Suche war erfolgreich.
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Wand eines Fabrikgebäudes |
Obwohl wir schon oft an dem betreffenden Gebäude vorbei gelaufen sind, sind uns erst jetzt die besonderen Backsteine aufgefallen, aus denen ein kleinerer Anbau gemauert ist. Nach genauerem Hinsehen staunt man nicht schlecht, das fürstliche Wappen auf Ziegelsteinen zu sehen.
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Vergrößerung eines Ziegelsteins |
Das Wappen steht mit dem Wort “HAILER” zusammen. Unsere Frage nach Hintergründen an dieser Stelle wurde durch die Miteilung eines aufmerksamen Lesers beantwortet. Die Ziegelei Hailer - auch Tonwerk Hailer - gehörte als Besitz des Fürsten zu Ysenburg zur Unternehmensgruppe. Bevor die Ziegelei 1969 abbrannte wurden von dort Baustoffe bezogen, auch die abgebildeten Ziegelsteine. Es bleibt wirklich überraschend ungewöhnlich, dass auch die Ziegelsteine einen “Stempel” erhielten, ähnlich der bekannten Wächtersbacher Fürstenmarke.
Fazit
Die Entdeckungen liefern wieder kleine Hinweise zur Fabrikgeschichte. Da aus der Patentschrift der Verkleidungziegel hervorgeht, dass die Fabrik ihr Patent auch selbst nutzte, ist die Prägung der Rückseite als Werksmarkung zu anzusehen. Sie wird gewiss demnächst Ludwig Rinns Markentafel vervollständigen.