EIN RETTUNGSVERSUCH

Was tun? In den Müll?


Nachahmung nicht empfohlen! Der Krug geht solange zum Ofen bis er bricht.

Wir erhielten damals einen großen, mehr als vier Liter fassenden Wasserkrug, der während seiner langen Gebrauchszeit alle erdenklichen Funktionen erfüllt hatte. Zuerst war er selbstverständlich Teil eines Waschgeschirrs gewesen ... bei uns hier im Vogelsberg sagt man übrigens statt Waschgeschirr "Waschlawwoahr" ... Die zweite Familiengenration hat den Krug als Küchenutensil genutzt und schließlich hat die nächste Generation mit dem Krug auch noch Öl in den Traktormotor gefüllt und danach über Jahre an irgendeinem Platz dem Vergessen überlassen. Wie er am Ende der viel bemühten Produktlebensdauer aussah, zeigen die folgenden vier Bilder. Mit etwas Vorstellungsvermögen konnte man noch am Boden den von uns so geschätzten Bindenschild entdecken - Bild 2.


Waschkrug vor der WäscheWaschrug Bodenansicht
Bild 1 - Anfangszustand Bild 2 - Bodenring

Der Krug hat zweifelsohne eine attraktive Form. Und für Motoröl sollte er sicher auch nicht mehr geeignet gewesen sein. Aber diese Verunreinigungen, die bis unter die kraquellierte Glasur in den Scherben gedrungen waren ...! Und dann auch noch ein Sprung ...


Waschkrug VergrösserungWaschrug starke Vergrösserung
Bild 3 - Glasurdetail Bild 4 - Sprung

Wir diskutieren oft zum Thema Restaurierung. Dabei taucht auch manchmal die Empfehlung zum sogenannten "Sauberbrennen" auf. Damit ist ein keramischer Ofenbrand gemeint, mit dem versucht wird, alle Verschmutzungen aus der Keramik herauszubrennen. Wir würden dieses Vorgehen nie als fachgerechte Restaurierung durchgehen lassen, aber bei einem dieser Dispute war der Wunsch geboren, das doch einmal mit einem alten Stück Steingut zu probieren. Mit dem Wasserkrug war uns nun ein "Opfer" in den Schoß gefallen.


Eine Keramik kann bei jedem Brand zerstört werden. Das lässt sich nie vorhersehen. Wenn unser Opfer havariert wäre, wäre das kein großer Verlust gewesen, blickt man auf den Anfangszustand.

Der Krug kam in den Ofen und wurde vorsichtig gebrannt. Während des Brandes entstand ein besonders dicker, beißender Qualm, der uns anfangs schon Sorgen bereitete. Aber unsere Neugierde besiegte die Sorgen und so stoppten wir den Brand nicht - und wir hatten Glück.

Waschkrug vor der WäscheWaschrug Bodenansicht
Bild 5 - vergleichen mit Bild 1Bild 6 - vergleichen mit Bild 2

Die weiße Glasur wurde wieder als solche erkennbar. Die Sichtbarkeit verschiedener Sprungschäden verschwand nahezu. Der Krug war fast "sauber". Überrascht hat uns übrigens auch die Stempelmarke, die vor der Säuberung vollkommen unsichtbar war. Die "Kronenmarke 2" zeigt zusätzlich die Formbezeichnung "NEUNKIRCHEN". Damit kann die Herstellung des Kruges auf den Zeitraum von 1916 bis 1952 datiert werden.

Bild 7 - graue VerbrennungsschattenGlasurriss geschlossen
Bild 7 - graue Verbrennungsschatten Bild 8 - Glasurriss geschlossen

Man erkennt aber auch deutlich Brennrückstände - graue Schatten. Auch die Glasurrisse sind sichtbar, wenn man genau hinsieht. Man findet auch das ansonsten sehr geschätzte Kraquelee, das aber bei der Herstellung des Kruges nicht beabsichtigt war. Unter uns keimte die Diskussion, ob man durch erneutes Brennen ein noch besseres Ergebnis erzielen könne. Dagegen sprach das jetzt sehr deutlich erhöhte Risiko, Scherben als Ergebnis zu bekommen. Wir entschlossen uns dennoch zu einem weiteren Brand.

Waschkrug nach dem zweiten Brand
Bild 9 - Voilà !

Wie man sieht, hat es wieder geklappt. Das Ergebnis hat sich deutlich gegenüber dem ersten Brand verbessert. Das hat uns sehr gefreut! Ein Stück, das bald hundert Jahre alt ist und drei Familiengenerationen begleitete, ist aufbereitet, wird wieder bewahrt und ist jetzt ein gern benutzter Vasenkrug.


Obwohl - die Glasurhaptik erinnert ein wenig an Haihaut - die Kraquellierung ist immer noch ein wenig sichtbar ...


Nochmal brennen ?????